Paul Leschhorn (Ort unbekannt, Datum unbekannt)

 

 

Paul Leschhorn. Lebenslauf.

 

  

 

 

Der Vater des Künstlers, Georg Ludwig Leschhorn, wurde 1839 in Saarbrücken geboren, war zeichnerisch begabt und als Wasserbau-Ingenieur in Straßburg beamtet. Seine Mutter war eine geistig regsame Frau, sie stammte aus St. Johann, starb aber schon im 50. Lebensjahr und hat auf den Werdegang des Begabten weniger einzuwirken vermocht. Der am 9. Oktober 1876 in Metz geborene Sohn Paul Leschhorn sollte über das Handwerk die Laufbahn des Vaters ergreifen. Seiner inneren Neigung folgend kam er 1893 auf die Straßburger Kunstgewerbeschule, wo man auf den Beruf des Dekorationsmalers kaum Rücksicht nahm. Später besuchte er bei Georg Daubner und Carl Johrdan das Aktzeichnen und Landschaftsmalen. Praktisch erlernte er bis 1901 das Anstreichen und Lackieren, das Kirchen- und Deckenmalen im aufkommenden Jugendstil. Nebenher belegte der Wissensdurstige als Gastschüler an der Straßburger Hochschule Vorlesungen über Philosophie und Paläontologie. So zeigte Leschhorns Lebensweg nicht die klare Entwicklungslinie eines zielbewussten Künstlers, sein Streben gleicht mehr dem eines Liebhabers, der gerade das Gebiet pflegt, zu dem ihm die Zuneigung treibt.

 

 

 

Paul Leschhorn - Holzschnitt (Selbstportrait)(Datum unbekannt)

 

 

 

Den Entschluss, Künstler zu werden, fasste der Spätgereifte bei einem Besuch der Basler Galerie, im Anblick von Hans Thomas überragenden Oberrheinlandschaften. Im Herbst 1903 meldete er sich in der Karlsruher Figurenklasse von Prof. Ernst Schurth, daneben zog es ihn bald in die Radierklasse zu Prof. Walter Conz. Aber allwöchentliche Vogesenwanderungen brachten den bald auf sein ureigenes Gebiet. Zunächst versuchte Leschhorn eine feinfühligen Landschaftsskizzen und zartfarbigen Aquarelle mit Ätzungen auf Zinkblech und mehrtonigen Steindrucken zu vervielfältigen. Doch ohne Unterweisung blieben seine feintonigen Lithographien, trotz unzähliger Probedrucke, in aussichtslosen Versuchen stecken. Noch im gleichen Jahre entstand Leschhorns erster Frühdruck "Weißer See" mit dem damals üblichen breiten Bildrand

 

 

Paul Leschhorn, Bauernhaus Hochfeld Vogesen (Datum unbekannt)

 

 

Es sind vor allem die Winter- und Vorfrühlingsstimmungen des Wasgenwaldes, die der Künstler verewigt hat. Sie lassen in Wahrheit die Würde und Größe der Natur ahnen und sind der reine Ausdruck seiner Innerlichkeit. Die Wiedergabe solcher in den allerfeinsten Tonwerten erlebten Landschaften setzen eine große Naturliebe voraus.

Beim Malen mit Wasserfarben zeigte sich bald, dass sie im Frost des Mittelgebirges bald vereisten. Um der hemmenden Kristallbildung zuvorzukommen und das Abgleiten der Farben vom Malgrund zu verhindern, war der Aquarellist genötigt, entweder mit Spiritus oder mit Salzwasser zu arbeiten. An die Stelle des feinhaarigen Marderpinsels trat im Vogesenwinter der rauhere Borstenpinsel und den Metallbecher musste ein Holzbecher ersetzen. So konnten auf mühsamen Skiwanderungen nur mühsam Aquarelle vollendet werden und oft half sich Leschhorn mit rasch gezeichneten Bleistiftskizzen. Und doch entstanden, als Vorlage für seine Farbenholzschnitte kleine Winterwaldstudien in der Feinheit traumhafter Farbendichtung. Von den anstrengenden Schwierigkeiten dieser Malerfahrten kann sich der stille Betrachter der Farbendrucke kaum eine rechte Vorstellung machen. Trotz Frost und Raureif galt es auszuhalten und die überwältigenden Eindrücke bildhaft aus der erstarrten Natur herauszuholen. Oft konnten die kaum angedeuteten Winterbilder zuhause nur aus dem Farbengedächtnis wiederhergestellt werden, um als Aquarelle dem mehrplattigen Linoleumschnitt dienen zu können. Beim Genießen der Leschhornschen Schnittkunst vergessen wir aber alles, was an Selbstüberwindung und Technik in seinen Farbendrucken steckt, und lassen nur die Dringlichkeit, den Luftkreis und das reine Naturgefühl auf uns wirken

 Das Werkverfahren des Deutschen Farbenholzschnittes geht auf die seit Jahrhunderten in Ostasien verbreitete Volkskunst zurück und wurde von Prof. Emil Orlik übernommen. Die Kunst dieser Drucke beruht nicht auf dem Pressen, sondern auf der feinen Saugfähigkeit des feinen Japanpapiers, das es erlaubt, in vielfältigen Tönen nacheinander zu drucken. Erst der Wunsch, die Bilderauswahl zu erweitern, zwang Leschhorn zum Ausbau des Linolschitts, der von der Fläche ausging und deshalb für jede Überschneidung eine neue Platte beanspruchte. Für seine Handdrucke benützt der Meister selbst angeriebene Tempera- und Ölfarben, mit ihnen werden drei bis sieben Linolplatten kunstgerecht angepinselt und das saugende Japanpapier, in bestimmter Reihenfolge, sorgfältig auf sie gedruckt. Da für jedes Bild sämtliche Stöcke neu eingefärbt werden, ergeben sich bei der aquarellartigen Behandlung unvermeidliche Mischungsverschiedenheiten. Oft liebt es der Graphiker, aus seinen Platten neue Bildwirkungen herauszubringen, dann entstehen jene Tonarten feiner Schnittdrucke, die besonders von Kennern und Künstlern geschätzt wurden.

 

 

 Festschrift zur Verleihung des Erwin von Steinbach Preis der

 Uiversiät Freiburg im Breisgau am 3. Mai 1941

 

  

 

  Nach dem Kriege 1914/18 schuf der Künstler auch religiös figürliche Abbilder. Zunächst meisterte er die nahezu quadratmetergroße Wiedergabe des "Christus am Kreuz" nach Matthis Neithardt-Gothardts Isenheimer Schrein. 1938 wurde die seelische Kraft der flämischen Schmerzensmutter von Simon Marmion, ein Tafelbild aus dem 15. Jahrhundert, in zurückhaltender Tongebung nacherlebt. Außerdem hat Leschhorn ein oberrheinisches Werk innerer Schönheit, einen Bildausschnitt der "Maria im Rosenhag" von Martin Schongauer in farbiger Nachbildung herausgebracht.

 Bereits 1907 waren 30 Aquarelle auf der Reise nach Dalmatien lokaltonig entstanden und 1924 bis 1931 zog es den Maler allmählich nach dem romantischen Korsika. Dort hat er, unweit von Ajaccio, mit Wasser- und Temperafarben nahezu 300 Insellandschaften in glutvoller Pracht gemalt. Seitdem sich der Elsässer mit dem Studium von Japan- und Chinaholzschnitten befasste, wurde er ein Leidenschaftlicher Liebhaber von ostasiatischen Kunstbronzen, Porzellanen, Stickereien und Lackgegenständen. Durch sein beim Schneemalen in den Vogesen zugezogenes Leiden ist Leschhorn seit mehreren Jahren an die Werkstatt gebunden und hat sich in das Studium des östlichen Schrifttums versenkt. So ist er ein Kenner der fernöstlichen Kultur geworden und, abhold jeder Mode, entstanden seine großen China Stillleben; denn das Sagenhafte dieser sogenannten Götzenbilder ist dem Aquarellmaler wohl vertraut.

Mit blauweißen Vasen, alten Bronzen und Buddahbildern, grotesken Masken und kostbaren Teppichen baut er sich seine erwogenen Tongemälde auf. Zum Eindruckvollsten dieser bedeutsamen noch wenig bekannt gewordenen Bilderfolge zählt ein rotleuchtendes "Altes Buddahbild" von 1936.

 

 

 Paul Leschhorn im Atelier, im Hintergrund Vasen seiner Ostasiensammlung (Straßburg, Datum unbekannt)

 

 

Nur durch seine überlegene Meisterschaft in der reinen Aquarelltechnik kommt Paul Leschhorn dem Gegenständlichen so nahe. Zuletzt fesselten den Sammler zierliche Tanarafiguren, die er voller Begeisterung als Griechische Stillleben ins Bild gebracht hat. Mit seinen ostasiatischen Bildformen ist der oberrheinische Maler über den geschätzten Graphiker und Heimatkünder hinausgewachsen in die Ruhe und Reife, in das Währen und Wissen um die Geschehnisse dieses Daseins.

   Nachdem tonschöne Arbeiten, wie das "Tauwetter" und die "Buchen im Schnee" auf großen Ausstellungen in Dresden und Hamburg Aufsehen erregten, wurde Paul Leschhorn aufgefordert, dem Deutschen Künstlerbund beizutreten. Regelmäßig war er, bis zum Weltkrieg, mit seinen Aquarellen und Farbdrucken, Zeichnungen und Ölbildern in Baden-Baden, Frankfurt a. M., Köln und Berlin vertreten. 1911 besuchte Ferdinand Avenarius, der Neffe Richard Wagners, den Maler-Graphiker überraschend in Straßburg. In seinem vielgelesenen ‚Kunstwart‘ brachte er bis 1923 vorbildliche Wiedergaben von Radierungen und Schnittdrucken heraus, damit war Leschhorns Lebensweg finanziell gesichert.

  Den Ausbruch eines zweiten Weltkrieges vorrausahnend, sah sich Paul Leschhorn genötigt, das geliebte Straßburg zu verlassen und 1939 seinen Wohnsitz nach Frankfurt a. M. zu verlegen.

 Zum Dank für sein an Kämpfen reiches Künstlertum und in Anerkennung seiner Leistung als Meister des Farbenholzschittes der elsässischen Landschaft, erhielt er von der Albert-Ludwig-Hochschule zu Freiburg im Breisgau in seinem 65. Lebensjahr den Erwin von Steinbach Preis für 1940 überreicht. Der Preis wurde stellvertretend von seiner Frau Anna Leschhorn, geborene Hellwig, entgegengenommen.

 

 

  

Anna Leschhorn (Ort unbekannt, Datum unbekannt)

 

 

Im September 1951 entschieden sich Paul und Anna Leschhorn, gemeinsam in den Freitod zu gehen. Paul Leschorn schluckte die Giftkapsel, Anna Leschhorn nicht und überlebte. Paul Leschhorn wurde eingeäschert und nach Oberschefflenz, Baden überführt. Dort beerdigte ihn sein Jugendfreund, der evangelische Pfarrer Augst Jaeger auf dem örtlichen Friedhof. Seine Frau Anna Leschhorn siedelte nach Oberschefflenz über und wurde bis zu ihren Tod ein Jahr später von der Ehefrau von August Jaeger, Mathilde Jaeger und ihrer Tochter Caritas Jaeger gepflegt. Sie wurde nach ihrem Tod von August Jaeger an der Seite ihres Mannes bestattet.

Die Inschrift auf ihrem Grabstein lautete:

 

"Paul Leschhorn

Anna Leschhorn

Flüchtlinge"

 

 

Grab von Paul und Anna Leschhorn (Oberschefflenz, 10.04.1993)

 

 

Quellen:  

Mündliche und schriftliche Zeugnisse der Familie Jaeger

Ansprache von Professor Müller-Blattau zur Verleihung des Erwin von Steinbach Preises der Universität Freiburg im Breisgau an Paul Leschhorn am 3. Mai 1941

 Das Bild, Monatszeitschrift für das Deutsche Kunstschaffen in Vergangenheit und Gegenwart, Verlag Müller, Karlsruhe (Baden), März 1943, (Heft 3))